Unterwasser-Video in der Erlebnisgrotte
Autor: Daniel Schätzle Erstellt am: 27. August 2015 Rubrik: VideoüberwachungKürzlich verbreitete sich im Netz die Nachricht über ein Pärchen, welches sich in der „Erlebnisgrotte“ eines Schwimmbades sexuel vergnügte. Das LG Augsburg verurteilte beide zu Arreststrafen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (§ 183a StGB). In der Berufungsverhandlung wurde zur Überführung unter anderem ein Unterwasser-Video gezeigt. Damit drängt sich die Frage der Zulässigkeit eines solchen Unterwasser-Videos auf.
Aus den Berichten zu der Entscheidung ist nicht ersichtlich, ob die Zulässigkeit der Videoaufzeichnung bzw. deren Verwertbarkeit überhaupt thematisiert wurde. Sollte dies in dem Verfahren überhaupt zur Sprache gekommen sein, hat das Gericht jedenfalls wohl keine Schwierigkeiten gesehen. Ohne die Einzelheiten des Falles zu kennen und daher von diesem losgelöst, erscheint mir ein Unterwasser-Video in einem Erlebnisbad jedenfalls nicht grundsätzlich unproblematisch zu sein. Zum einen kann man davon ausgehen, dass eine Unterwasser-Videoüberwachung überwiegend den Bereich der menschlichen Intimzone vor der Linse hat. Zum anderen beruhigt in diesem Zusammenhang nicht die Aussage eines Bademeisters „Man hat alles genau sehen können“.
Maßgebliche Norm für die Bewertung der Zulässigkeit einer solchen Unterwasser-Videoüberwachung ist § 6b BDSG. Wobei ich davon ausgehe, dass die Videoaufzeichnung als automatisierte Datenverarbeitung einer nicht-öffentlichen Stelle (weil Erlebnisbad und nicht Schwimmhalle) einzustufen ist.
Die Regelung des § 6b BDSG gilt unmittelbar nur für öffentlich zugängliche Räume. Dass das Bad von einer nicht-öffentlichen Stelle betrieben wird, ist dabei unerheblich. Entscheidend ist allein, dass das Bad grundsätzlich von jedermann genutzt und betreten werden kann.
Des Weiteren wird eine Beobachtung mit optisch-elektronischen Einrichtungen verlangt, deren Vorliegen ich bei einer Unterwasser-Videoaufzeichnung nicht bezweifle. Die Videoüberwachung muss einen der in § 6b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BDSG genannten Zwecke erfüllen. In Betracht kommt die Wahrnehmung des Hausrechtes. Nahe liegt hier eine Abwehr von strafbaren Handlungen unter Wasser (z.B. durch sexuellen Handlungen). Denkbar ist zudem die Wahrnehmung berechtigter Interessen. Insbesondere der Schutz der Besucher des Erlebnisbades vor dem Ertrinken fällt hierunter.
Entscheidend wird es bei den Tatbestandsmerkmalen der Erforderlichkeit und Interessenabwägung. Die Unterwasser-Videoüberwachung ist geeignet, strafbare Handlungen unter Wasser abzuwehren. Gleiches gilt für den Schutz vor dem Ertrinken. Bademeister, die die Unterwasserüberwachung beobachten, können Ertrinkende auch erkennen, wenn diese oberhalb der Wasseroberfläche nicht mehr zu erkennen sind. Schwieriger wird es bei der Frage nach dem milderen Mittel. Kein milderes Mittel kann der Einsatz von mehr Personal sein. Ansonsten würde es stets an der Erforderlichkeit fehlen, weil eine Videoüberwachung in jedem Fall durch das menschliche Auge ausgetauscht werden kann. Weniger beeinträchtigend erscheint mir jedoch eine Videoüberwachung nur über der Wasseroberfläche. Hiergegen lässt sich jedoch sicher einwenden, dass eine solche Überwachung nicht das gleich wirksame Mittel darstellt. Vorstellbar ist, dass Unterwasseraufnahmen einen klareren Blick geben, um Handlungen oder Gefahren unterhalb der Wasseroberfläche zu erkennen.
Aus meiner Sicht scheitert es jedoch an der Interessenabwägung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass für die Zwecke der Abwehr von strafbaren Handlungen und dem Schutz der Besucher eine dauerhafte Aufzeichnung nicht nötig ist. Lediglich zu Beweiszwecken in Verfahren wie dem des jungen Liebespaares. Hierzu wäre jedoch eine anlassbezogene Aufzeichnung ausreichend. Zumindest müssen Aufzeichnungen kurzfristig überschrieben werden, wenn kein relevantes Ereignis in den jeweiligen Aufzeichnungszeitraum fällt. Dies ergibt sich schon aus § 6b Abs. 5 BDSG.
Ohne die Bilder tatschlich zu kennen, liegt es zudem nahe, dass überwiegend die menschliche Intimzone bei einer Unterwasser-Videoaufzeichnung vor die Linse gerät. Gepaart mit einer etwaigen besonders guten Auflösung, wird damit von den Aufzeichnungen ein besonders geschützter Bereich berührt. Im Übrigen mag zwar die Überwasser-Aufzeichnung eine weniger gute Überwachung leisten können. Die Unterschiede erscheinen mir jedoch marginal. Daher steht eine andere – wenn auch nicht gleich wirksame – Alternative zur Verfügung.
Daher spricht im Rahmen der Interessenabwägung einiges zuungunsten der Unterwasser-Videoaufzeichnung. Im konkreten Fall spielen für eine abschließende Bewertung aber sicher auch Auflösung und genaue Position der Kamera eine Rolle.
Überwiegen damit die schutzwürdige Interessen der Betroffenen, die eigene Intimzone nicht beobachten bzw. aufzeichnen zu lassen, ist die Unterwasservideoaufzeichnung unzulässig.
Bei der sich anschließenden Frage einer Beweisverwertung, kommt es auf die Abwägungslehre an. Im Falle der Erregung öffentlichen Ärgernis besteht einerseits das Recht des Ärgernden, sich im öffentlichen Bereich ausreichend von sexuellen Handlungen anderer abzugrenzen, die möglicherweise auch seinen eigenen Moralvorstellungen nicht entsprechen. Auf der anderen Seite steht das Recht des Betroffenen, seine Intimzone nicht in der Videoaufzeichnung eines Schwimmbades wiederzufinden. Bedenkt man, dass § 183a StGB angesichts der allgegenwärtigen Darstellung sexueller Handlungen in den Medien ohnehin ein sehr fragliche Strafnorm ist, kann die Abwägung nur zugunsten eines Beweisverwertungsverbotes ausfallen.
Interessant wäre zu wissen, ob das in Augsburg ein Thema war?
Rubrik: Videoüberwachung Stichwörter: Unterwasser-Video, Verwertungsverbot, Videoüberwachung