Rezension: Recht der Computer- und Videospiele, Duisberg/Picot (Hrsg.)
Autor: Dr. Stephan Degmair Erstellt am: 1. Juli 2014 Rubrik: Rezension1,8 Milliarden €. So viel setzte die Gamesbranche allein in Deutschland in 2013 um. Sie ist damit der Filmindustrie hart auf den Fersen. Und sie ist kräftig in Bewegung: Immer mehr verschiebt sich der Umsatz von Konsolen- zu Online-Spielen. Dabei ändern sich auch die Vertriebs- und Geschäftsmodelle: Der Verkauf von Spielen auf DVD tritt auf der Stelle, wohingegen das sogenannte „free-to-play“-Modell, also der Online-Vertrieb kostenloser Spiele, die sich über den Verkauf virtueller Güter finanzieren, boomt. Ein großer, spannender Markt also. Kein Wunder, dass er von immer mehr Anwälten als attraktives Geschäftsfeld entdeckt wird.
Umso erstaunlicher ist es deshalb, dass sich die juristische Literatur damit bisher eher stiefmütterlich beschäftigt hat. In diese Lücke stößt nun das vorliegende Kompendium, das erstmals den Rechtsrahmen der Gamesindustrie umfassend und geschlossen darstellt. Sicher kein einfaches Unterfangen, denn ein einheitliches Rechtsgebiet „Computerspiele-Recht“ gibt es nicht. Vielmehr handelt es sich um eine typische Querschnittsmaterie, die sich über eine Vielzahl von Rechtsgebieten erstreckt. Zudem hinkt die Rechtsentwicklung, wie oft bei dynamischen und techniklastigen Branchen, weit hinterher. Man denke nur an den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der immer noch auf dem Stand 2003 ist und damit aus dem Internet-Mesozoikum stammt. Die Rechtsprechung schließlich trägt nicht selten eher zur Verwirrung bei, wie etwa jüngst das Urteil des BGH zu „Runes of Magic“ (Az. I ZR 34/12) belegt. Durch dieses Dickicht haben die Verfasser nun eine erste, breite Schneise geschlagen.
Buchinhalt
Das Buch ist in insgesamt 19 Kapitel gegliedert. Während die ersten neun den Rechtsrahmen in Deutschland abstecken, stellen die Kapitel 11 bis 19 auf Englisch überblicksartig die Rechtssituation in den wichtigsten europäischen Ländern dar. Gegenstand von Kapitel 10 – ebenfalls in englischer Sprache geschrieben – ist ein Exkurs zur Patentierbarkeit von Computerspielen.
Zunächst werden Entwicklungsverträge umfangreich dargestellt. Nach einer Einordnung der Interessenlagen der beteiligten Parteien werden die wesentlichen Vertragsinhalte und die Risiken auf beiden Vertragsseiten ausführlich dargestellt. Kapitel 2 hat die urheberrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Computerspielen zum Gegenstand. In Kapitel 3 geht es um sonstige nicht-technische Schutzrechte, insbesondere Kennzeichenrechte (Markenrecht). In Kapitel 4 werden sodann ausführlich die Rechtsfragen beim Vertrieb erläutert. Kapitel 5 greift eine besonders praxisrelevante Spezialfrage heraus, das sog. „In-Game-Advertising“. Es geht also um die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Werbung innerhalb eines Computerspiels. Danach wird dem Boom-Sektor Onlinespiele ein eigenes Kapitel gewidmet: Die Rechtsfragen rund um „virtuelle Güter“, die den Kern des Geschäftsmodells bilden, werden ausführlich erörtert. Kapitel 7 befasst sich mit unerlaubtem Glücksspiel. In Kapitel 8 werden das Thema Strafrecht und Jugendschutz zusammengefasst. Ausführlich werden abschließend im Kapitel 9 datenschutzrechtliche Fragen rund um Computerspiele abgehandelt, bevor – nach dem Exkurs zur Patentierbarkeit in Kapitel 10 – die einzelnen EU-Länder-Darstellungen folgen.
Stellungnahme
Das Buch richtet sich klar an den Praktiker. Gerade für Einsteiger in die Materie ist das Buch von hohem Nutzen. Die wesentlichen Rechtsfragen werden meist ausführlich erörtert, zumindest aber angeschnitten. Literatur und Rechtsprechung ist umfangreich eingearbeitet, so dass das Werk auch als Ausgangspunkt für Vertiefungen taugt.
Besonders hervorzuheben und ein klares „asset“ dieses Buchs ist der Überblick über die rechtliche Situation in anderen EU-Staaten. Weil der Trend zu Onlinespielen geht, müssen andere Rechtsordnungen zunehmend, zumindest in Grundzügen, bei der Beratung berücksichtigt werden. Dafür ist der zweite Teil des Kompendiums dem Praktiker eine große Hilfe.
Inhaltlich besonders gelungen erscheinen die Kapitel, die der Chronologie der Spielerstellung folgen, also die Darstellung der Entwicklungsverträge (Kapitel 1) und der Probleme beim Vertrieb (Kapitel 4). Erfreulich ist auch, dass der immer wichtiger werdende Sektor Onlinespiele den Herausgebern ein eigenes Kapitel wert war. Auch die recht umfangreiche Darstellung der datenschutzrechtlichen Probleme (Kapitel 9) hilft dem Praktiker sehr.
Das Buch steckt den Rechtsrahmen, in dem die Gamesindustrie agiert, gut ab. Den Verfassern ist es hoch anzurechnen, den Boden bereitet und Grundlagenarbeit geleistet zu haben. Wie immer bei Pionierwerken, zumal in 1. Auflage, gibt es aber auch hier Gelegenheit, an der einen oder anderen Stelle noch nachzuschärfen: So könnte etwa die Gliederung des Buches noch etwas systematischer geraten. Einige Kapitel orientieren sich an der Chronologie der Spiel-Erstellung (Entwicklung (1.), Vertrieb (4.)). Andere haben bestimmte Rechtsgebiete zum Gegenstand (z.B. Urheberrecht (2.)). Wieder andere beleuchten Spezialthemen (In-Game-Advertising (5.), Online-Spiele (6.)). Das führt zu gewissen inhaltlichen Überschneidungen. So werden beispielsweise urheberrechtliche Fragen nicht nur in Kapitel 2, sondern auch in Kapitel 1, 4 oder 6 besprochen.
Einige Rechtsgebiete könnten zudem in der nächsten Ausgabe noch vertiefter dargestellt werden. So ist etwa die Darstellung der urheberrechtlichen Fragen – ein in der Praxis besonders wichtiges Gebiet – in Kapitel 2 etwas knapp geraten. Beispielsweise hätte die für die Software-Industrie umwälzende „Usedsoft“-Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2012 im Urheberrechts-Kapitel eine Erwähnung verdient gehabt.
Mancher Praktiker mag sich zudem für die nächste Auflage eine Erweiterung um Themen wie Finanzierung oder Steuern wünschen. Für Einsteiger könnte es außerdem hilfreich sein, in Grundzügen die Funktionsweise der Industrie, die wichtigsten technischen Begriffe und die Bedeutung der einzelnen Plattformen zu erläutern.
Doch das sind Details und nur Anregungen für die nächste Ausgabe. Insgesamt handelt es sich um ein sehr gelungenes, verständlich geschriebenes, umfassendes und aktuelles Werk, das für den Praktiker von hohem Nutzwert ist und Neulingen den Einstieg in die Materie erheblich erleichtert. Gerade die in der Praxis vielfach dominierenden vertragsrechtlichen Themen sind gut aufbereitet.
Wer sich ernsthaft mit dem Recht von Computerspielen beschäftigt oder beschäftigen will, sollte sich das Werk auf den Schreibtisch stellen.
» Recht der Computer- und Videospiele, Duisberg/Picot (Hrsg.), Erich Schmidt Verlag, 2014
Rubrik: Rezension Stichwörter: Computerspiele, Games, Videospiele