Plädoyer von Hans Peter Bull für eine Neuverteilung der Aufgaben und Befugnisse der Sicherheitsbehörden
Autor: Daniel Schätzle Erstellt am: 12. September 2013 Rubrik: Geheimdienste, PinGDer erste Bundesdatenschutzbeauftragte (1978 bis 1983) beschreibt in seinem Beitrag für die am Freitag erscheinende PinG seine Vorstellungen von einer Umstrukturierung des deutschen Sicherheitsapparats. Das Problem an der derzeitigen Struktur sei, dass die verschiedenen, für den Schutz der Bürger zuständigen Behörden, nicht einträchtig miteinander kooperieren, sondern sich gegenseitig abschotten und ihre Informationen eifersüchtig hüten. Die Konkurrenz der Sicherheitsbehörden führe schnell zu Doppelarbeit, die die Privatsphäre der Bürger doppelt beeinträchtige.
Bull schlägt vor, die Aufgaben und Befugnisse der Verfassungsschutzämter einzuschränken. Seine Kernaussage: Die verschiedenen Ämter von Bund und Ländern sollen zu einem wissenschaftlichen Institut schrumpfen und ihre operativen Aufgaben sollen an die Polizei abgegeben werden. Mit der Auswertung und der Analyse offener Quellen könne der Verfassungsschutz seinem Auftrag bereits gerecht werden, die freiheitliche Ordnung unseres Gemeinwesens zu schützen. Informationen sollen zu Wissen werden, V-Leute und andere Nachrichtenbeschaffer wären dann nicht mehr erforderlich, was einer Abschaffung des Inlandsgeheimdienstes entspräche. Freilich bräuchte eine derartige Einrichtung (Bull schlägt ein wissenschaftliches Institut mit dem Namen „Bundesinstitut für Verfassungsschutz“ vor) hochqualifizierte Experten für Textinterpretation mit exzellentem Verständnis für gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen. So könne der Verfassungsschutz die Verfassung unter Umständen wirkungsvoller schützen, wenn er sich darauf konzentriere, der Regierung und den Bürgern durch fundierte Erläuterungen zu verdeutlichen, in welchen Formen, mit welcher Intensität und mit welcher Gefährlichkeit Handlungen von Extremisten ausgeübt werden könnten.
Auswirkungen auf die Arbeit der Polizei und den Staatsanwaltschaften hätte die Reform kaum. Da Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft seit jeher neben der allgemeinen Kriminalität auch die „Staatsschutzdelikte“ verfolgen, kämen auf diese keine wirklich neuen Aufgaben zu. Bei allem müsse jedoch bedacht werden, dass die Reduktion der Aufgaben des Verfassungsschutzes allerdings nicht dazu führen dürfe, dass die Polizei der neue Geheimdienst wird oder sich als solcher verhält.
Die Konsequenz einer derartigen Reform wäre, dass ein Teil der bisherigen Verfassungsschützer, nach Möglichkeit die Besten, zur Polizei wechseln müsste. Dabei würde es sich um eine wirksame Umsetzung des Trennungsgebots handeln, nach dem der Verfassungsschutz sich die gewünschten Informationen nicht auf dem Umweg über die Polizei beschaffen darf und die Verfassungsschutzbehörden nicht organisatorisch miteinander verbunden werden dürfen.
Aufgrund der schwierigen Messbarkeit von Erfolgen geheimdienstlicher Arbeit bedürfe es vor einer Reform jedoch zunächst einmal einer empirischen Untersuchung, welchen Nutzen der Verfassungsschutz in der Vergangenheit gebracht hat. So habe bspw. auch der US-Geheimdienst NSA trotz seiner Vorgehensweisen den Anschlag in Boston nicht verhindern können. Abschließend resümiert Bull, dass eine solche Reform mit dem starken Widerstand derer zu rechnen habe, die ein starkes Interesse an der Beibehaltung der derzeitigen Strukturen haben.
Rubrik: Geheimdienste, PinG Stichwörter: Geheimdienste, Hans Peter Bull, Reform, Verfassungsschutz