BGH setzt aus. Und Renate Künast übt sich in Geduld.
Autor: Niko Härting Erstellt am: 18. Februar 2025 Rubrik: DatenschutzrechtRenate Künast ist für ihren langen Atem bekannt. Und langen Atem braucht eine Klägerin beim langen Weg durch die Gerichtsinstanzen. Heute hat der BGH einen „Künast ./. Facebook“-Fall nach § 148 ZPO ausgesetzt. Der BGH ist der Auffassung, er müsse die Entscheidung des EuGH zu einem rumänischen Fall abwarten. Dort geht es um das komplizierte Verhältnis zwischen der DSGVO und den Haftungsprivilegien der Internetprovider, die ursprünglich in der E-Commerce-Richtlinie und jetzt im Digital Services Act (DSA) geregelt sind.
Es geht in dem Künast-Fall um geschmacklose Memes, in denen ein Foto der Grünen-Politikerin mit der Aussage „Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen“ verbunden wurde. Eine Aussage, die nicht von Künast stammt und frei erfunden ist. Der Meta-Konzern wurde als Betreiber von Facebook erst- und zweitinstanzlich nicht nur zur Löschung „identischer“ Memes, sondern auch zur Löschung „kerngleicher Memes“ verurteilt. Gegen das Berufungsurteil des OLG Frankfurt richtete sich die Revision des US-Konzerns. Die Argumentation der Revision überrascht wenig. Man wendet ein, das Auffinden „kerngleicher“ Memes sei weder möglich noch zumutbar. Um einer solchen Verpflichtung nachzukommen, genüge eine automatisierte Suche nicht. Zu einer manuellen Suche sei ein Plattformbetreiber europarechtlich nicht verpflichtet.
Das LG Frankfurt/Main und das OLG Frankfurt hatten den Fall anhand der §§ 1004, 823 BGB geprüft – nach den Grundsätzen des allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Falsch, so der BGH, denn eine Anwendung der DSGVO komme in Betracht – eine Anwendung des Art. 17 DSGVO (Löschung) und des Art. 82 DSGVO (Schadensersatz), da Künast auch (in zweiter Instanz erfolglos) „Schmerzensgeld“ eingeklagt hatte und in die Anschlussrevision gegangen war.
Nun aber stellt sich die spannende Frage, wie sich Verpflichtungen und Ansprüche nach der DSGVO zu den Haftungsprivilegien der Plattformbetreiber verhalten. Um dieses schwierige Verhältnis geht es in dem rumänischen Fall, den der EuGH demnächst entscheiden wird. Erst vor wenigen Tagen legte der Generalanwalt beim EuGH seine Schlussanträge vor. Nach Auffassung des Generalanwalts verläuft die Scheidelinie zwischen Verantwortlichem und Auftragsverarbeiter. Der Verantwortliche könnennicht zugleich „neutraler“ Host Provider und damit haftungsprivilegiert sein. Beim Auftragsverarbeiter verhalte sich dies anders. Er sei als „neutraler“ Host Provider durch Art. 6 DSA (vormals Art. 14 E-Commerce-Richtlinie) von Haftung befreit. Dies bedeutet insbesondere, dass nach Auffassung des EuGH-Generalanwalts der Auftragsverarbeiter als „neutraler“ Host Provider keinen Schadensersatz leisten muss, auch wenn alle Voraussetzungen des Art. 82 DSGVO erfüllt sind.
Prognose für den Künast-Fall? Dass Meta bei der Facebook-Plattform „neutraler“ Host Provider ist, lässt sich kaum ernsthaft bezweifeln. Schlechte Aussichten somit für ein Schmerzensgeld, wenn der EuGH dem Generalanwalt folgen sollte. Zur Störerhaftung und damit zu den Unterlassungs- bzw. Löschpflichten des Meta-Konzerns wird man vom EuGH wenig Hilfreiches erwarten dürfen, da sich in dem rumänischen Fall keine entsprechenden Fragen stellen. Renate Künast wird daher noch eine ganze Weile warten müssen, bis der BGH sich die selbst gestellten Fragen zu Art. 17 DSGVO noch einmal vorlegt.
BGH: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2025&nr=140708&anz=35&pos=0 und https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2025&nr=140538&anz=35&pos=8
OLG Frankfurt: https://www.jurpc.de/jurpc/show?id=20240027
LG Frankfurt/Main: https://www.rv.hessenrecht.hessen.de/bshe/document/LARE220002783
EuGH-Generalanwalt: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=295080&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1
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