Kann man einen geouteten Schwulen noch outen? Feinsinnige Unterscheidungen des EuGH
Autor: Niko Härting Erstellt am: 30. Oktober 2024 Rubrik: DatenschutzrechtDer EuGH hat in seinem neuesten Schrems-Urteil entschieden, dass Informationen über die eigene sexuelle Orientierung auch dann als „besonders sensibel“ gelten, wenn der Betroffene aus seiner Orientierung kein Geheimnis macht (EuGH vom 4.10.2024, Az. C-446/21).
Zum ersten, zum zweiten, zum dritten: Max Schrems – Europas wohl bekanntester Datenschutz-Aktivist – ist wieder einmal erfolgreich gegen Facebook vor den EuGH gezogen. Im Mittelpunkt der Debatte steht Artikel 9 der DSGVO, gegen welchen Meta Platforms Ireland, Bereitsteller der Dienste von Facebook in der Europäischen Union, nach Ansicht von Schrems und jener des EuGH verstoßen haben soll. Konkret legte der Oberste Gerichtshof aus Österreich dem EuGH die Frage vor, ob Meta berechtigt war, „andere Daten“ zur sexuellen Orientierung von Schrems zu verarbeiten, nachdem sich Schrems bei einer öffentlich zugänglichen Podiumsdiskussion im Februar 2019 über seine Homosexualität geäußert hatte (s. Rn. 42). Anlass zu dieser Frage gab die auf ein homosexuelles Zielpublikum gerichtete Werbung, welche Schrems auf Facebook erhielt. Da er auf seinem Facebook-Profil keine sensiblen Daten angegeben und auch eine Verwendung seines Profils durch Meta für gezielte Werbung abgelehnt hatte (s. Rn. 88), störte er sich am Erhalt jener Werbung. Um welche Werbung es sich dabei genau handelt und welche Daten von Meta über ihn erhoben wurden, geht jedoch aus dem Urteil nicht hervor.
Ein genauerer Blick auf die Ausführungen des EuGH erweist sich als erforderlich für die weitere Analyse. In einem ersten Schritt stellt dieser die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur sexuellen Orientierung durch Meta fest. Fraglich blieb damit, ob durch die Äußerungen von Schrems zu seiner Sexualität bei einer öffentlichen Podiumsdiskussion der Ausnahmetatbestand des Art. 9 Abs. 2 e) DSGVO erfüllt ist (s. Rn. 42). Dieser erlaubt eine Verarbeitung sensibler Daten, die die betroffene Person öffentlich gemacht hat.
Nun würde man unbefangen eigentlich meinen, dass jemand, der offen schwul ist und in der Öffentlichkeit kein Geheimnis daraus macht, ein Paradefall dieses Erlaubnistatbestands ist. Nicht so jedoch der EuGH. Zwar erkennt dieser an, dass Schrems mit seiner Äußerung seine sexuelle Orientierung öffentlich gemacht hat. Jedoch bleibe der Schutz vor einer Verarbeitung „anderer Daten“ zur sexuellen Orientierung von Schrems unberührt (s. Rn. 55 f.). Welche anderen Daten der EuGH hiermit meint, bleibt offen. Nebulös heißt es, es gehe um Daten, die Meta von „Anwendungen und Websites Dritter“ erhalten hat (s. Rn. 59). Folgt man dieser knappen und nicht sehr eingängigen Begründung, kommt man zu der Erkenntnis, dass der EuGH die Verarbeitung der öffentlichen Äußerungen, die Schrems getätigt hat, aber auch nur diese Äußerungen, gestattet. Hingegen dürfte jedes andere Datum, welches Schrems‘ Homosexualität bestätigt, wie etwa die auf einer Dating-Website eingestellten Präferenzen zum Geschlecht der vorgeschlagenen Partner, nicht verwertet werden. Warum eine Information, die bereits von der betroffenen Person öffentlich preisgegeben wurde, nun nicht dazu führt, dass andere Daten, welche die bereits offengelegte Orientierung allenfalls bestätigen können, verarbeitet werden dürfen, bleibt auch nach eingängiger Lektüre des Urteils rätselhaft.
Rubrik: Datenschutzrecht