Art. 99 DS-GVO – Iudex non calculat
Autor: Daniel Schätzle Erstellt am: 29. Juli 2016 Rubrik: DatenschutzrechtGastbeitrag von Lorenz Franck
Kein Jurist erinnert sich gern an die Mühsal der Fristenberechnung in juristischen Aufsichtsarbeiten. Die Wirren der Zivilkomputation nach den §§ 186 ff. BGB, Ereignisfristen, Fristenden an Feiertagen und natürlich die lässliche Frage, ob die BGB-Grundsätze im behördlichen Bereich nun nach § 31 VwVfG, § 57 Abs. 2 VwGO oder doch § 173 S. 1 VwGO Anwendung finden: All dies weckt unschöne Erinnerungen.
So verwundert es nicht, dass auch die trivial erscheinenden Regelungen zu Inkrafttreten und Anwendung der DS-GVO in Art. 99 Abs. 1 und 2 zum Teil nicht korrekt interpretiert werden.
Die Vorschrift lautet:
„1. Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
2. Sie gilt ab dem 25. Mai 2018.“
Art. 99 Abs. 1 DS-GVO legt für das Inkrafttreten ausdrücklich den zwanzigsten Tag nach erfolgter Veröffentlichung fest. Da die Grundverordnung am 4. Mai 2016 im Amtsblatt veröffentlicht wurde, ist sie dementsprechend am 24. Mai 2016, 0.00 Uhr in Kraft getreten.
Die Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder (DSK) meint hingegen in ihrer jüngsten Entschließung, es handele sich um den 25. Mai 2016 (ebenso Schantz, NJW 2016, 1841). Möglicherweise stand hier der Abs. 2 Pate. Vielleicht wurde auch irrtümlich ein Zeitraum von „zwanzig Tagen nach Veröffentlichung“ zugrundegelegt, bei dem der Tag der Veröffentlichung selbst – als fristauslösendes Ereignis – nicht mitgezählt wird (vgl. § 187 Abs. 1 BGB). Dass stattdessen der 24. Mai 2016 korrekt ist, zeigt sich jedoch zum einen an der Verlautbarung der Kommission selbst, zum anderen wird die Kommission ebenfalls ab diesem Zeitpunkt gem. Art. 92 Abs. 2 DS-GVO zum Erlass delegierter Rechtsakte ermächtigt.
Bei Art. 99 Abs. 2 DS-GVO scheint die Angelegenheit klarer: Geltung und damit Anwendung ab dem 25. Mai 2018, 0.00 Uhr. Dabei kann dahingestellt bleiben, nach welcher Berechnungsmethode dies „zwei Jahre nach dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt“ darstellt, wie es noch in der Trilog-Fassung hieß. Der jetzige Wortlaut ist jedenfalls eindeutig.
Nichtdestotrotz errechnet das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) in seiner Stellungnahme zur Videoüberwachung (S. 2 unten) nach der DS-GVO den 26. Mai 2018. Natürlich erscheint es durchaus löblich, dass eine Aufsichtsbehörde angesichts der nurmehr verbleibenden 661 Tage (Stand: 1. August 2016) zur Umgewöhnung weitere 24 Stunden gewähren möchte. Aus Art. 99 Abs. 2 DS-GVO ergibt sich dies jedoch nicht. Verantwortliche Stellen sollten sich per se darauf einstellen, eher früher als später an den Voraussetzungen der DS-GVO gemessen zu werden (Vgl. Atzert/Franck, Präemptive Prüfung der DSGVO durch die Aufsichtsbehörde – Verstoß gegen § 38 BDSG, RDV Online vom 8. Januar 2016).
» Dr. iur. Lorenz Franck, Referent bei der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. in Bonn sowie Lehrbeauftragter für Datenschutzrecht an der TH Köln.
Rubrik: Datenschutzrecht Stichwörter: Datenschutzgrundverordnung, Frist, Inkrafttreten